Haben Sie wirklich versagt?
Wie mir Rückmeldung meiner Klienten, aber auch Bekannter und Freunde immer wieder bestätigen,
leben wir in sehr unruhigen Zeiten. Ein Folge dessen ist, dass es auch immer häufiger zu Trennungen
kommt. Meist gibt es einen, der gegangen ist und einen, der zurück blieb. Zu dem natürlicherweise
entstehenden Schmerz kommen aber dann noch die quälenden Gedanken: „Musste das wirklich sein?“,
„Was habe ich eigentlich falsch gemacht?“, „Eigentlich wollten wir doch bis an unser Lebensende
zusammen bleiben.“, „Ich habe versagt!“
Doch ist dem wirklich so? Der vielleicht größte Schmerzerzeuger in uns sind unsere Glaubenssätze,
unsere Überzeugungen. Wenn wir eine Beziehung eingehen, so wünschen wir uns normalerweise,
dass wir mit unserem Partner durch dick und dünn gehen – bis das der Tod uns scheidet. Aber ehrlich,
haben Sie sich schon einmal gefragt, was das eigentlich soll? Welchen Grund gibt es dafür, dass eine
Beziehung unbedingt bis zum Lebens- ende dauern sollte?
Wenn man sich gut versteht – klar, dann freut man sich natürlich, mit diesem Menschen bis zum
Ende zu gehen. Aber wenn man nach einer gewissen Zeit feststellt, dass man sich eben nicht gut versteht,
dass man sich entweder getäuscht hat oder einfach feststellen muss, dass die individuellen Wege
sich immer weiter auseinander entwickeln, wo ist dann das Problem?
Eigentlich ist es ein wenig, wie der
Kauf eines Autos. Sie haben eine gewisse Vorstellung, wie Ihr neues Fahrzeug aussehen soll. Sie gehen in
ein Geschäft und sind völlig begeistert von diesem neuen Glitzermodell. Eine tolle Farbe, Automatikgangschaltung
und diverse Spielereien aller Art. Begeistert setzen Sie sich hinein und wissen: Sie sind neu verliebt. (Zugegeben,
das passiert in dieser Kategorie wohl eher Männern). Also noch ein Beispiel für die Damen: Da ist diese wahnsinns
Handtasche mit diesen pfiffigen Schnallen und dem total weichen Leder. Die Farbkombination – einfach phantastisch.
Die passt unglaublich gut zu dem neuen Sommerkleid…
Nun kaufen Sie sich also Auto oder Handtasche. Und Sie sind begeistert. Nicht selten passiert dann mit der Zeit,
dass die Begeisterung nachlässt. Auf einmal stellt man fest, dass eine Automatikschaltung einfach nicht zum persönlichen
Stil passt. Die tollen Schnallen an der Handtasche gehen immer wieder unbeabsichtigt auf, die Farbe verblasst immer mehr,
und der Spritverbrauch ist auch nicht gerade das, was man sich so vorgestellt hat.
Je nachdem, was überwiegt, entscheidet man sich, das gute Stück zu behalten – und gewinnt die besonderen Eigenheiten
sogar lieb, oder aber, man kommt zu dem Schluss, dass die Realität eben doch nicht mit der Wunschvorstellung überein stimmt.
Ergo: Man trennt sich. Niemand würde einer tollen Handtasche oder dem ehemals tollen Wagen groß nachweinen.
Natürlich ist mir klar, dass man eine Handtasche nicht mit einem Menschen vergleichen kann. Aber wie bitte kommen
wir eigentlich auf die Idee, unbedingt mit einem Menschen Jahrzehnte lang verbringen zu wollen, obwohl wir doch gar
nicht wissen, wie sich diese Beziehung in einem, zwei, in zehn oder gar zwanzig Jahren gestalten wird!? Welche Beweggründe
treiben uns da eigentlich an? Ist es wirklich Liebe, oder eher verliebt sein? Vielleicht ist es aber auch die Angst, in Zukunft
alleine zu sein!? Wer hinterfragt das schon so genau? Ist es nicht völlig normal, dass man im Leben immer wieder einmal die
Richtung ändert? Gehört es nicht dazu, dass der Partner diese Richtungsänderung vielleicht nicht mit gehen will? Was wäre,
wenn wir den Wunsch, eine Beziehung nicht unbedingt bis zum Lebensende haben zu wollen, gar nicht hätten? Wäre das
das endgültige Ende unserer Beziehungswelt? Würden wir dann vielleicht nur noch KUFRIBES eingehen (Kurzfristige Beziehungen)?
Ich glaube nicht. Wenn wir nicht von vornherein davon ausgehen würden, dass unsere Beziehung unbedingt ein Leben lang
halten sollte, so würde uns eine Menge Druck genommen werden. Nicht selten berichten Paare davon, dass sie sich viel besser
verstehen, seitdem sie sich getrennt haben. Die Erwartungen und der herrschende Druck sind einfach verschwunden. Und ein
weiterer Aspekt kommt hinzu: Nicht selten bedeutet es eine viel größere Herausforderung, bewusst aus einer nicht mehr
funktionierenden Beziehung auszusteigen, als in ihr zu verbleiben.
Als Anita und Frank zu mir in die Praxis kommen herrscht eine bedrückte Stimmung. Seit 8 Jahren sind sie mehr oder
weniger zusammen. Zwischendurch waren sie häufiger getrennt. Die Netto Beziehungszeit beträgt nur 7 Jahre.
Zwischendurch hatte Frank ein Verhältnis und eigentlich war er nach seiner Aussage nie wirklich in Anita verliebt.
Anita ist völlig am Ende. Sie wollten sich ein gemeinsames Haus kaufen. Aber er kann sich nicht entscheiden.
Weiß er doch gar nicht, ob er diese Beziehung überhaupt will, überhaupt jemals wollte. Anita hat sich vor 8 Jahren in
Frank verliebt. Frank hingegen wollte nur eine Affäre. Sie gibt offen zu, dass Sie dem nur aus dem Grund zugestimmt
hat, damit sie ihn sehen kann. Sie wollte immer eine feste Beziehung. Von Liebe ist zwischen den beiden nichts zu spüren.
Und von seiner Seite war das auch in der Vergangenheit nie so. Anita meint, dass sie gar nicht erwartet, dass Frank sie
voll und ganz liebt. Ihre Liebe ist schließlich groß genug für zwei. Anita ist übrigens noch unter 30 Jahre alt und Frank
12 Jahre älter. Es stellt sich die Frage, ob Anita nicht seid 12 Jahren einer leeren Hoffnung hinterher läuft. Sie ist bereit,
sich aufzugeben, nur um in dieser Beziehung zu bleiben. Die wahre Herausforderung in diesem Fall ist nicht, die Beziehung
auf Biegen und Brechen hinaus aufrecht zu erhalten, sondern, den Mut zu haben, aufzustehen und Frank zu sagen:
„Mit mir nicht…!“ „Entweder du stehst zu 100% zu mir und bekennst Dich zu mir oder ich gehe.“
Das würde für Anita eine Entscheidung für sie selbst bedeuten. Und damit eine Entscheidung für die Liebe.
(Nämlich die Liebe zu sich selbst). Und es würde Anita die Möglichkeit eröffnen, den Weg für einen neuen Partner frei zu
machen. Einen Partner, der sie wirklich von ganzem Herzen liebt. Doch das sieht sie – noch – nicht.
Das bewusste Beenden der Beziehung wäre für Anita ein großer Schritt nach vorne…
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